A Coruña

Klar, haben schon viele gemacht, für uns aber schon etwas ganz Besonderes: Beim dritten Versuch hat es geklappt und wir haben die Biskaya überquert und sind in A Coruña angekommen.

Nachdem ich zwei mal angekündigt hatte, dass wir nun für einige Tage unterwegs sein werden und dann wegen technischer Probleme aufgehalten wurden, diesmal ohne Vorankündigung.

Wegen des Motorproblems sind wir ja in Roscoff statt Camaret-sur-mer gelandet und warten auf ein passendes Wetterfenster, dass ja hoffentlich nach dem Durchzug von diversen Tiefdruckgebieten kommt. Und so ist es auch. Das Programm für die Routenplanung sagt, dass es am 24. Oktober passen wird. Durchgehend Windstärke mindestens zwei, aber nie mehr als 6, auch nicht in Böen. Und schönes Wetter ist angesagt.

Am 25. soll es sogar noch marginal besser sein. Aber jetzt wollen wir los, also geht es am 24. mit dem Morgenhochwasser um 9 Uhr raus. Die Routenplanung hat berechnet, dass wir knapp 5 Tage benötigen werden. Wie vorhergesagt geht es mit frischer Brise bis starkem Wind (also 5 bis 6 Bft) los. Wellenhöhe zwischen 3 und 4 Metern. Ist also etwas wackelig zum Beginn, aber das hilft vielleicht, dass unsere „Seebeine“ schneller wachsen.

Es ist noch bewölkt, aber für den nächsten Tage ist Sonne vorhergesagt. Eine sternenklare Nacht verheißt gutes. Aber direkt nach Sonnenaufgang hat sich eine Art Hochnebel gebildet, der bis zum Abend bleibt und uns einen grauen und kühlen Tag beschert. Erst kurz vor ihrem Untergang zeigt sich die Sonne dann doch noch kurz mal. So schaukeln wir weiter durch die relativ hohen und, da kurz und steil, unangenehmen Wellen. Die Höhe soll sich aber im Laufe der Überfahrt von den jetzt immer noch 3m auf unter 1m reduzieren und sie sollen länger, und damit angenehmer werden.

Die erste Nacht ist wie immer noch nicht Routine, das heißt, die Schlafphasen sind noch nicht so intensiv. Bringt etwas Müdigkeit, die aber in der zweiten Nacht in den 3 Stunden Freiwache schon einen besseren Schlaf beschert. Auch am 3. Tag bleibt uns das diesige Wetter erhalten. Nicht schön, aber wir haben mittlerweile weniger Wind, aber noch ausreichend, um so 4 bis 5 kn Fahrt zu machen und die mittlerweile niedrigere Welle macht die Fahrt zudem bequemer.

Allerdings kommen wir nur langsam voran, da der Wind mal wieder von vorne kommt und wir entsprechend kreuzen müssen. Nach 24 Stunden haben wir uns dem 390 sm entfernten Ziel nur um 70 sm angenähert. Die Hälfte des Weges haben wir nach rund 65 Stunden erreicht. Da die Ankunftszeit für 1:40 Uhr in der Nacht von Samstag auf Sonntag berechnet wurde, macht das nichts, wir kommen eh lieber bei Tageslicht an.

Mittlerweile ist Donnerstag und die Sonne zeigt sich schon immer mal wieder. Das macht die Überfahrt noch schöner, als sie bisher eigentlich eh schon ist. Abgesehen halt das wir langsam vorankommen.

In der Nacht auf Freitag verzieht sich der Wind allerdings. Laut anfänglicher Vorhersage war das so nicht vorgesehen, aber ein aktueller Wetterbericht hat das angekündigt. Aber auch, dass der Wind von Südost über Süd, West, Nord bis Ost dreht und wieder an Stärke zunimmt, so 5 bis 6 Bft. sollen es werden. Also für alle etwas dabei. Da unser Kurs Südwest ist, können wir also mit dem Wind mitdrehen, um dann bei passendem Winkel die Richtung zu ändern.

Das ist toll, aber was nützt Wind aus der richtigen Richtung, sofern er zu schwach ist um uns voran zu bringen. Also Motor an um so lange zu motoren, bis der Wind wieder ausreichend Stärke gewonnen hat. Ich hatte ja von unseren Motorproblemen berichtet. In den letzten 3 Tagen lief er einmal 3 Stunden und ging dann wieder von selbst aus, dann zwei Stunden zum Laden der Batterie ohne das er von selbst ausging.

Jetzt hat es aber nur ein paar Minuten gedauert, bis er sich wieder abgestellt hat. Das auf ungefähr halbem Weg, mitten auf der Biskaya, kurz vor Mitternacht. Mist. Nachdem alle sagten, dass es vermutlich nicht die Elektronik ist, sondern der Motor einfach nichts zum saufen bekommt, nochmal den Weg des Diesels vom Tank zum Motor verfolgt. Und es zeigt sich kurioserweise, dass sich der „Dieselentnahmeschlauch“ am Tankboden fest-gesogen hat und dadurch kein Diesel fließen konnten (Details weiter unten in der „Technik-Ecke“).

Dadurch hatten wir jetzt „freie Fahrt“ und der Motor läuft für fast 12 Stunden am Stück. Für 12 Uhr hat der letzte Wetterbericht zunehmend Wind (3 bis 4 Bft) aus Ost-Nordost angekündigt, also perfekt von hinten bzw. später auf Ost drehend, also von schräg hinten. Perfekter Segelwind also. Kein Witz: ich schaue um kurz vor 12 nach hinten und sehe, wie sich die See langsam kräuselt und tatsächlich, Wind frischt auf und wir können Segel setzen!

Wind von hinten bedeutet allerdings, dass die normale Segelstellung nicht funktioniert, da das Vorsegel durch das Großsegel vom Wind abgedeckt wird und es entsprechend zu Schlagen anfängt. Und die Gefahr einer Patenthalse (Baum wandert vehement von einer Seite auf die andere und bringt damit Risiken für die Besatzung und das Schiff) zu vermeiden haben wir den Baum mit einem sogenannten Bullenstander festgezurrt. Und das Vorsegel mit einem sogenannten Spi-Baum stabilisiert.

Dann gibt es noch die Möglichkeit, Großsegel auf der einen und Vorsegel auf der anderen Seite zu führen (Schmetterling). Und bei den vielen Möglichkeiten haben wir tatsächlich eine Stunde benötigt, bis wir nach ewigem hin und her die passende Segelstellung gefunden haben.

Durch die Motorfahrt hatten wir etwas Zeit gewonnen und jetzt scheint es plötzlich möglich, bereits Samstag evtl. sogar noch vor Sonnenuntergang anzukommen. Aber dafür muss sich der Wind halt wie angekündigt entwickeln, dass also aus 3 bis 4 später 5 bis 6 werden. Tut er dann auch und wir rauschten mit 6 bis teilweise mehr als 7 Konten durch den Tag und die Nacht auf Samstag.

So haben wir plötzlich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 6 kn. Da wir fast ausschließlich im Innensteuerstand sind und daher der Wind nicht als so stark gefühlt wird wie er ist, rauscht die ja eigentlich immer mal wieder von Seekrankeit geplagte Skipperin wagemutig bei ständig stärker werdendem Wind durch die zunehmend unruhigere See und sagt freudestrahlend morgens um 6 Uhr beim Wachwechsel: Guck mal wie schnell wir sind.

Und es ist das erste mal das ich sage: „Lass uns reffen“ und die Skipperin „wieso?“. Aber trotz zweitem Reff im Großsegel und etwas verkleinertem Vorsegel geht die Rauschefahrt weiter und bereits um 9 Uhr, also mit Sonnenaufgang, können wir Land sehen. Aber wir müssen uns erst mal auf das Boot konzentrieren. Als eine Art „Abschiedsgeschenk“ aus der Biskaya nimmt der Wind noch für kurze Zeit auf 7 Bft. (laut Windstärkentabelle „steifer Wind mit 28 bis 33 kn“) zu, aber nur kurz, um uns dann bei mäßigem Wind die Anfahrt auf A Coruña zu einem Genuss werden zu lassen. Und das ist es auch. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und die Luna Mare segelt gemütlich Richtung Marina.

Am Samstag, 28.Oktober um 15 Uhr legen wir dann in der Marina Coruña an. Für den direkten Weg von 392 sm hatten wir wegen Kreuzen 441 sm (rund 800 km) zurück gelegt und rund 100 Stunden benötigt. Wir sind überglücklich. Es war insgesamt eine tolle Überfahrt und eben noch besser, das Motorproblem konnten wir lösen.

Jetzt sind es fast auf den Tag genau 6 Monate, seit dem wir am 29. April 2017 auf das Boot gezogen sind. Seitdem haben wir mit der Spanischen die 8. Gastlandflagge gesetzt und rund 2.600 sm (rund 4.800 km) zurück gelegt. In den 7 Jahren davor, seit wir in 2009 mit dem Hochseesegeln angefangen haben, waren es in Summe 3.800 Meilen, also nicht mal doppelt so viel wie in den letzten 6 Monaten. Und doch ist das nichts, bedenkend welche Strecken noch vor uns liegen werden.

Technik-Ecke:

Hier, falls es interessiert, die Details zum Motorproblem und deren Behebung.

Auf ungefähr halber Strecke um kurz vor Mitternacht von Roscoff nach A Coruna, also mitten auf der Biskaya, haben wir den Fehler gefunden und beseitigt! Unglaublich aber wohl war: blockiertes Steigrohr. Jetzt denkt ihr vermutlich: Das muss man doch als erstes prüfen! Haben wir gemacht, aber kein Problem gefunden, da es nicht verstopft war. Dann hatten wir in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Flaute. Der Motor lief bereits zweimal, einmal 3 Stunden mit ausgehen, einmal 2 Stunden ohne. Also Motor an, aber nach ein paar Minuten ging er bereits wieder aus.

Shit. Was tun. Wir nutzen die Windsteuerung noch nicht, da unsere (Not-)Pinne Mist ist. Restliche Strecke von Hand steuern, da wir keinen Strom produzieren können (bis dahin hatten wir wenig Sonne und der Windgenerator produziert anscheinend nur bei Sturm richtig Strom).

Also nochmal die Dieselzufuhr geprüft. Dieselfeinfilter am Motor hatte ich vor drei Tagen ausgetauscht, das Schauglas des Vorfilters zeigte weder Wasser noch sonst irgendwelche Verunreinigungen und die Leitungen sind alle ok. Also wieder Tagestank geöffnet, reinster Diesel ist zu sehen. Dann denke ich mir: Der Gummischlauch für die Dieselentnahme steht präzise senkrecht im Tank. Hat der sich am Tankboden festgesogen?

In der Tat, so war es. Deshalb war der Fehler nur sporadisch. Den es bedurfte zweier Voraussetzungen, damit das passieren konnte:

1. Der Tank hat sich auf Grund des warmen Rücklaufdiesels am Anschlussbereich noch oben gewölbt. Das muss wohl bereits im Juni passiert sein, da wir Anfang Juli in Wladislawowo zum ersten Mal das Problem hatten (damals hatten wir uns in die Marina schleppen lassen). Dann war mehrere Monate Ruhe, bis es seit Cherbourg immer häufiger auftrat. Das Material des Tanks ist wohl zu dünn.

2. Dadurch lag der Schlauch nicht mehr am Boden auf, sondern “schwebte” wohl darüber. Der Schlauch hat sich dann im durch den Dieselrücklauf erwärmten Tank so gedehnt, dass er bis zum Boden reichte und sich dort festsaugen konnte. Es hat wohl ein paar Stunden gedauert hat, bis der Tank bzw. Tankinhalt die richtige Temperatur zur für den Bodenkontakt präzisen Ausdehnung des Schlauches hatte. Deshalb war die Batterie immer voll geladen als der Motor ausging. Fehlende Ahnung wird halt durch Phantasie ersetzt, weshalb ich höchst komplexe elektronische Probleme vermutet hatte.

Damit war die Reparatur allerdings einfach. Einfach ein Stück Schlauch abgeschnitten, damit es dieser auch bei reichlich Ausdehnung nicht mehr bis zum Tankboden schafft. Also doch: Size matters.

Die Wahrscheinlichkeit im Lotto zu gewinnen ist vermutlich höher, als das so etwas passiert.

Es ist mittlerweile Mitternacht und wir können endlich sorglos motoren.

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