Vor uns liegen 350 sm vom Prince William Sound zur Elfin Cove, dem Eingang zur „Inside Passage“. Diese führt entlang Südostalaska über Britisch Columbia (Kanada) bis zum Bundesstaat Washington mit Zielorten wie Seattle, Bellingham, oder Anacortes, das auf Grund der zahlreichen Marinas, dem Schiffszubehörhandel und anderer maritimer Einrichtungen auch „Boating Capitol of the Northwest“ genannt wird.

Der Plan zu diesem Zeitpunkt ist, Wrangell oder Ketchikan als Platz für den Winter zu nutzen. Diese beiden Orte befinden sich in Südostalaska, kurz vor der Grenze zu Kanada. Dort ist das Klima für diese Breiten relativ mild, die Wassertemperatur sinkt den ganzen Winter über angeblich nicht unter 10 Grad. Sollte Kanada seine Grenzen, die nunmehr seit März geschlossen sind, nach der aktuell gültigen Verlängerung Ende August öffnen, wäre auch Viktoria eine gute Option für den Winter. Von dort wären es dann 700 sm bis San Francisco.

Die „Inside Passage“ selbst ist überwiegend durch Berge vom offenen Meer abgeschirmt, so dass es dort meist windstill ist, es also auch keine nennenswerten Wellen gibt. Einige Teilstrecken sind etwas offener zum Pazifik, aber da kann man ja auf gutes Wetter warten. Laut Revierführer kann man die gesamte Strecke überwiegend in Tagesetappen absolvieren. Nachtfahrten wären in dem Bereich mit einigen Engstellen durchaus eine Herausforderung.

Zu beachten ist allerdings die teils kräftige Strömung bei engeren Stellen zwischen den Inseln. Die kann im Extremfall bis zu 10 kn betragen. Da wir die Tidendaten haben, sollte das aber machbar sein.

Der Wetterbericht für die Überfahrt zur Elfin Cove ist für die nächste Zeit leider nicht sehr vielversprechend. Entweder reichlich Wind aus Südost (da wo wir hin wollwn), oder kein Wind. Also volltanken, so dass wir bei Bedarf die komplette Strecke unter Motor zurücklegen könnten. Keine schöne Vorstellung.

Cordova liegt eigentlich günstig mit direktem Zugang zum Golf von Alaska, dieser ist aber zu flach um von uns Revierfremden befahren zu werden. Also geht es am 30. Juli los über die „Double Bay“ zur „Garden Cove“. Zwei Buchten, die uns zwei schöne Tage vor Anker bieten. Und damit sind es dann 50 sm weniger, als wenn wir nonstop von Cordova aus segeln

In der Garden Cove haben wir Besuch von Seelöwen erhalten.

Gleich am nächsten Tag wollen wir starten. Gemäß Wetterbericht segeln wir mit reichlich Ostwind zuerst Richtung Süden und können dann nach rund 50 sm den Weg nach Osten einschlagen. Dann soll auch der Wind deutlich nachlassen, so dass wir bei Bedarf unter Motor zum Ziel kommen können. In vier Tagen sollte das zu schaffen sein. So unsere Überlegung.

01. August:

Um 8 Uhr geht der Anker hoch. Es hat schon kräftig aufgefrischt und unsere Ankerbucht und die Buchten auf dem Weg zur offenen See sind für ihre „Williwaws“, den hiesigen Fallwinden mit bis zu 60 kn, bekannt. In der „Garden Cove“ erreicht der Wind schon mal 30 kn, was das Einholen des Ankers etwas erschwert. Aber dann ist er geborgen und los geht es.

Aus den zwei Buchten die wir passieren, erreicht uns Wind mit bis zu 45 kn. Das Wasser sieht dort aus, als würde es dampfen. Wir kommen aber gut da durch und erreichen die offene See um Segel zu setzen. Mit gerefften Segeln geht es bei gut 20 kn Wind auf Amwindkurd (Wind von schräg vorne) Richtung Süden.

02. August

Es geht unter Segel ziemlich ruppig durch die erste Nacht. Die erste Nacht ist ohnehin hinsichtlich Schlaf schwierig, da der Rhythmus zwischen Wache und Schlafen noch fehlt, wird aber durch die heftigen Wellen noch unangenehmer.

Um 6 Uhr starten wir den Motor, da wir bei dem jetzt nachlassenden Wind Richtung Südwesten statt nach Südosten segeln und uns damit immer weiter vom Ziel entfernen. Bereits drei Stunden später dreht der Wind und wir können mit etwas mehr Wind von der Steuerbordseite wiederum unter Segel Zielkurs anlegen. Phantastisch.

Aber nur für weniger als eine halbe Stunde. Dann dreht der Wind zurück auf Südost und wir sind jetzt Richtung Norden unterwegs. Also in die Richtung aus der wir gekommen sind.

9 Stunden später haben wir auf diese Weise 28 sm gutgemacht, sind dabei dem Ziel aber nur um 12 sm näher gekommen. So geht um 18 Uhr bei mäßigerem Wind der Motor wieder an.

Seit der Erstwässerung der Luna Mare vor 4 Jahren haben wir das Problem mit Wasser im Boot. Unterschiedlichster Natur. Bei der Erstwässerung fehlte ein Fettnippel an der Ruderanlage, so dass Wasser eindrang und dazu führte, dass das Boot umgehend wieder an Land musste.

Später waren die Fenster undicht, ich hatte mal vergessen, einen Borddurchbruch abzusichern, ein Trinkwassertank hatte ein Leck. Konnten wir alles korrigieren.

Problem wurde aber der Übergang des Kunststoffdecks zum Metallrumpf. Hier hatten wir schon etliche Abdichtversuche unternommen, alle halfen aber nur sehr temporär. Zuletzt hatten wir ein Aluklebeband verwendet mit dem guten Gefühl, dass jetzt alles dicht ist.

Ist es aber nicht. Es kommt immer dann, wenn es Wasser auf das Deck schafft (was bei Amwindkursen halt fast immer der Fall ist) etwas davon vom Vordeckbereich ins Boot und versammelt sich in der Bilge im mittleren Bereich, dem Bereich der Pantry.

Unangenehm, aber man muss halt hin und wieder die Bilgenpumpe in Betrieb setzen. Und demnächst einen neuen Abdichtversuch starten. Allerdings keine Ahnung, was da wirkungsvoll helfen könnte.

03. August:

Als ich um Mitternacht meine Wache antrete sieht der Wind wieder passender aus. Also Motor wieder aus und Segel gesetzt.

Aber bereits beim Wachwechsel um 3 Uhr passen Windrichtung und -stärke wiederum nicht und der Motor geht wieder an. Und dieser läuft für den Rest des Tages und die ganze kommende Nacht.

Und der neue Wetterbericht verspricht nichts gutes. Statt wenig bis kein Wind, wie bei unserer Abfahrt vorhergesagt, sollen es jetzt 27 kn, in Böen 36 kn werden. Aus der Richtung, in die wir wollen.

Die Isobarendarstellung zeigt jedoch, dass es ein wenig nördlicher nur 14 kn, in Böen 29 kn, sein sollen. Unter Motor sollten wir dort zeitig hinkommen, unter Segel könnten wir nur direkt nach Norden und früher oder später zu nah an die Küste, die stark nebelgefährdet ist. Also nunmehr Richtung Nordost statt Südost, um dem stärkeren Wind auszuweichen.

Wir schaffen es dahin, der Wind größtenteils aber auch. So zeigt unser Windmesser im Mittel so 25 kn an, die bei Böen schon mal die 30 überschreiten.

04. August:

So geht es bei gut 20 kn Wind unter Motor in den 4. Tag. Wind und Welle führen dazu, dass wir unter Motor nur mehr mit rund 2 kn vorankommen. Da ist der Diesel alle, bevor wir ankommen.

Um 9 Uhr dreht der Wind erfreulicherweise mal wieder. So können wir wieder Kurs „Elfin Cove“ nehmen und die Segel setzen. Bei dem Wind natürlich gerefft. Der Kurs passt nicht ganz, wir kommen aber mit 3 bis 4 kn voran. Selbstverständlich Amwindkurs.

Wiederum nur kurz, bis Mittag. Nicht weil der Wind es sich wieder anders überlegt hat, sondern weil die Bilge voll Wasser ist. Durch den Amwindkurs und die Schräglage kommt jede Menge Wasser aufs Deck und, so scheint es, immer mehr davon ins Boot.

Wenn man einen Topf mit Wasser schräg hält, läuft auf der einen Seite das Wasser über, wo hingehend auf der anderen der Boden frei ist. So auch bei unserer Bilge auf Grund der starken Seelage die durch den Amwindkurs unter Segel entsteht. Hat den unangenehmen Effekt, dass die Bilgenpumpe auf der einen Seite Luft saugt, also nicht abpumpen kann, währenddessen das Wasser auf der anderen Seite aus der Bilge ins Boot läuft.

Da hilft nur Beidrehen. Zum einen kommt dann kaum noch Wasser aufs Deck und damit ins Boot und mit der Bilgenpumpe können wir zumindest die Bilge wieder leeren. Rest muss so aufgewischt werden.

Danach haben wir beigedreht viel Zeit, die Situation zu reflektieren. Eines ist schnell klar, so können wir unsere Reise nicht fortsetzen. Nach unserer Pazifikrunde werden wir uns ja wieder am Startpunkt in die Südsee befinden, entweder San Diego, oder Mexiko. Dann liegt der Pazifik in seiner ganzen Breite vor uns, der (teils wettermäßig unfreundliche) Indische Ozean, bevor es den Atlantik von Südafrika aus wieder hoch geht.

Für diese Strecken benötigen wir ein dichtes Deck. Aber wie dicht bekommen. Bisher sind alle Versuche gescheitert und wir verlieren die Hoffnung, einen erfolgreichen Weg zu finden. Das Kunststoffdeck liegt ja auf einer am Rumpf angebrachten Metallplatte. Die Verbindung wird nie 100% ok sein, da sich das Deck bewegt bzw. vibriert, während das Metall die Ruhe weg hat.

Wir dachten, Sikaflex wäre flexibel genug, um diese Bewegungen auszugleichen. Dann das Alu-Klebeband. Hat alles nichts geholfen.

Dazu kommt ja auch noch die Covid-19 Situation. Machen die Grenzen auf? Falls ja, wann? Und auch wenn sie offen sind. Die einsamen Gegenden in der Südsee sind ja das reizvolle, aber haben die Einwohner dort nicht zu Recht Angst, dass die Segler das Virus mitbringen?

Unsere Familie haben wir seit knapp einem Jahr nicht mehr gesehen und es ist nicht absehbar, wann sich das ändern wird. Besuche auf der Luna Mare, wie ursprünglich für Kanada geplant, sind vorerst nicht möglich. Wenn wir nach Deutschland fliegen, kommen wir aktuell nicht mehr zurück.

Also neuer Plan. Sobald wir „Elfin Cove“ erreicht haben, in möglichst Tagesetappen möglichst gemütlich die „Inside Passage“ bis zum Bundesstaat Washington. Die Gefahr, dass auf dieser Strecke Wasser aufs Deck / ins Boot kommt ist je eher gering.

Von dort per LKW die Luna Mare von der West- zur Ostküste transportieren lassen. Und dann im Mai 2021 von Rhode Island aus über die Azoren nach Lanzarote. Auf Grund der vorherrschenden Westwinde sollte die Strecke auch mit dem derzeitigen Zustand der Luna Mare möglich sein. Und vielleicht können wir ja noch etwas abdichten.

Keine leichte Entscheidung, aber Lanzarote hat uns sehr gut gefallen und war als „Altersruhesitz“ an Bord der Luna Mare ohnehin eine Idee. Wir haben ausreichend Zeit, alles in Ordnung zu bringen und sofern wir eine vernünftige Lösung für das Deck finden, steht uns ja eigentlich alles wieder offen.

Kanaren, Mittelmeer, Karibik. Und der Startpu in die Südsee (Panama) wäre innerhalb von zwei Monaten erreichbar. Falls sich die Covid-19 Lage verbessert und wir dann noch Lust darauf haben sollten.

05. August:

Wir bleiben beigedreht um auf weniger Wind zu warten. Entweder aus passender Richtung, so dass wir mit Wind von querab, oder achterlicher als querab „trocken“ segeln können (eher unwahrscheinlich), oder aber unter Motor vorankommen können.

Um 12 Uhr haben wir den 4. Tag auf See verbracht. So lange, wie wir für die 350 sm brauchen wollten. Beigedreht hat uns der Wind und die Strömung in den letzten 24 Stunden um 22 sm vom Ziel entfernt. So haben wir nach vier Tagen nur 150 sm geschafft, haben also immer noch 200 sm vor uns.

Der Wind lässt aber nach und auch die Wellen werden etwas weniger ruppig. So können wir den Motor starten und mit anfänglich 3 kn loslegen. Stunde um Stunde wird die See ruhiger und wir etwas schneller.

Der Wetterbericht von heute morgen sagt bis morgen Nachmittag Wind von max. 10 kn voraus. Dann für 9 Stunden 11 bis 16, danach für 12 Stunden runter auf 4 kn (mit Böen bis 21 kn!?!), dann wieder etwas über 10 kn. Verrücktes Wetter haben die hier im Golf von Alaska. Müsste aber passen.

Sofern wir im Schnitt 3,5 kn schaffen, kommen wir am 07. August um 21 Uhr an. Da ist es noch hell. Ach das würde passen. Da kann jetzt eigentlich nicht mehr viel passieren.

Zur jetzt guten Stimmung, dass der Rest der Strecke ja überschaubar wird was das Vorankommen angeht, gesellt sich auch zunehmend die Sonne und erwärmt uns.

06. August:

Der Tag beginnt mit herrlichem Sonnenschein. Wir machen mittlerweile sogar etwas mehr als 4 kn Fahrt. Die zurückgelegte Strecke seit dem Start des Motors gestern Mittag bis zum heutigen Mittag beträgt 108 sm. Es bleiben also nur noch knapp 100. Die sollten wir spielend bis morgen nachmittag schaffen.

Die Wettervorhersage von heute morgen bestätigt das. Max. 12 kn, in Böen 18 kn heute, morgen dann weniger als 10 kn, allerdings mit Böen bis über 20 kn. Aber Böen kommen und gehen. Außerdem soll der Wind dann nach Südwest gedreht haben, so dass wir ihn nicht mehr direkt auf die Nase haben, sondern dieser uns vielleicht sogar ein wenig schiebt. Wär doch gut.

Da die letzten Tage ja doch etwas nervig waren, tut der Sonnenschein, der bis zum Abend anhält, jetzt so richtig gut. Wir machen uns für den morgigen Landfall schon mal schick. Duschen (ich traue mich das sogar im Cockpit im Freien), ich stutze meinen Bart, wir ziehen frische Sachen an.

So herrlich kann Segeln sein, in diesem Fall sogar unter Motor. Die Küste am Golf entlang ist phänomenal. Direkt aus dem Wasser ragen schneebedeckte Berge bis 4.000 m in die Höhe. Leider meist Wolken, oder Nebelverhangen und damit selten zu sehen und aus rund 50 km Entfernung schwer zu fotografieren. Muss man halt einfach selber erleben ;-).

Tja und mal wieder kommt es anders als erwartet. Der Wind geht am Abend auf 20kn bis 30 kn hoch. Aus Südost. Um Wasser im Boot zu vermeiden heißt es wieder beidrehen. 74 sm vor dem Ziel!

Kurz vor Mitternacht lässt der Wind zumindest leicht nach und führt mich zu dem Leichtsinn, den Motor zu starten, um irgendwann doch anzukommen. Mit so 2 bis 3 kn sind wir nicht schnell, aber immerhin.

07. August:

Müdigkeit ist vorhanden, aber zu viel innere Unruhe, die Motorgeräusche und zu heftige Bootsbewegungen um tatsächlich schlafen zu können. So übernehme ich die komplette Nachtwache während Marion sich mit Ohrstöpseln in die Koje verzieht. Überwiegend lesend, da sie auch keinen Schlaf finden kann. Hin und wieder döse ich etwas vor mich hin, behalte aber vermeintlich alles im Auge.

Es geht nur langsam voran, aber so kurz vor dem Ziel ist es irgendwie ein besseres Gefühl, diesem ein bis zwei Seemeilen pro Stunde näher zu kommen, anstatt beigedreht sich um die fast gleiche Strecke davon zu entfernen.

Um vier Uhr wieder ein Blick in die Bilge. Etwas Wasser drin, aber nicht bedenklich. Pumpe es aber trotzdem aus.

Das Plätschern und Rauschen des Meerwassers hat ja was beruhigendes. So denke ich mir das auch als ich gegen 5 Uhr so etwas vor mich hindöse. Aber plätschert das tatsächlich draußen am Bug, oder kommt das von innen?

Ein prüfender Blick und gefühlt geht die Welt unter. Zentimeterhoch steht die Pantry, der am tiefsten gelegen Teil des Bootes, unter Wasser. Aus der vordersten Bodenklappe sprudelt es nur so herein. Haben wir ein Leck?

Schon mal einen Pan Pan absetzen? Pan Pan macht man, wenn man ein technisches Problem hat, man aber glaubt, es noch meistern zu können. Damit hat man dann aber für den Fall, das es nicht klappt, schon mal Kontakt zu einer Rettungsstelle.

In Sekundenbruchteilen schießen mir die Gedanken durch den Kopf. Erstmal Bilgenpumpe. Die müsste eigentlich automatisch anlaufen, aber der Schwimmer, der sie auslöst, scheint irgendwie defekt zu sein. Dann bange Sekunden. Schafft die Pumpe mehr raus als nachfließt?

Sie scheint es zu schaffen. Langsam senkt sich der Wasserspiegel, wobei von vorne weiterhin Wasser nachläuft. Unter der Bodenklappe, aus der es sprudelt, befindet sich der Log/Lot-Geber. Wurde das irgendwie aus dem Rumpf herausgeschlagen? Nein, sitzt fest.

Marion hat bisher dank der Ohrstöpsel nichts mitbekommen. Da ich das Deck als mögliche Quelle des Desasters überprüfen möchte, hole ich sie aus der Koje. Ich möchte nicht unbeobachtet auf dem wackeligen Vorschiff unterwegs sein.

Normalerweise hebt und senkt sich der Bug bei heftigerem Wind und Wellengang ganz erheblich. Klatscht in dem Moment, wo er weiter unten ist die nächste kurz folgende Welle dagegen, ergießt sich ein Schwall über das Deck. Das würde man dann auch ganz gut vom Innensteuerstand aus bemerken und sehen.

Doch der Bug bewegt sich nicht sonderlich, sonder pflügt in sehr tiefer Lage durch das Wasser. So gibt es nicht einzelne Wellenschläge, die an Bord kommen, sondern der Bug ist fast ständig unter Wasser. So, als würde er zu einem Tauchgang ansetzen wollen.

Ein Blick in den Ankerkasten. Dort steht das Wasser bis zum Deckel. Alles, die Ankerwinsch, die Batterie, das Relais, die Verkabelung, alles unter Wasser. Jetzt ist klar, wo das zusätzliche Wasser im Boot herkommt. Nur noch nicht wie es im Detail den Weg vom Ankerkasten ins Boot findet. Aber da dieser zum Bootsinneren hin nicht hermetisch abgeschlossen ist, bestehen keine Zweifel mehr.

Zurück und beigedreht. Motor aus.

Meine Vermutung ist, dass sich der Ankerkasten peu à peu gefüllt hat. Das Loch im Rumpf für den Wasserabfluss war vermutlich zu lange unter Wasser, dass sich der Ankerkasten soweit füllen konnte, dass das Gewicht von Ankergeschirr und Wasser den Bug immer weiter ins Wasser drückten. Irgendwann war der Abfluss unter Wasser und der Kasten lief bis zur Oberkante voll. Und zumindest ein guter Teil davon ins Boot.

Mittlerweile ist das Wasser abgelaufen. Die Batterie scheint noch zu funktionieren, zeigt jedenfalls 12,9 V an. Die Ankerwinsch ist angeblich wasserdicht, ob sie aber ein Wasserbad ausgehalten hat muss sich noch zeigen. Für das Relais haben wir Ersatz, falls dieses nicht mehr funktionieren sollte.

Da müssen wir uns doch noch etwas mehr Gedanken machen, wie wir diese Situation vermeiden können, bevor wir nächstes Jahr zu den Azoren aufbrechen. Und auch bis dahin, bis wir das Boot zur Abfahrt bereit an der US Ostküste haben werden, ist noch ein langer Weg.

Apropos langer Weg. Mittlerweile ist es Mittag und wir sind noch 74 sm vom Ziel entfernt. Genau so viele Seemeilen waren es vor 15 Stunden, also gestern Abend um 21 Uhr. Wir sind also exakt die Strecke, die wir in fünf Stunden seit Mitternacht unter Motor gemacht haben, in den zehn „beigedrehten“ Stunden wieder zurückgetrieben worden. Und wir treiben kontinuierlich weiter vom Ziel weg. Frust ohne Grenzen.

Laut Wetterbericht von gestern haben wir seit 6 Uhr 8 kn Wind (in Böen bis 22) aus südwestlicher Richtung. Zumindest zum motoren ideal. Bis 10 Uhr hatten wir aber weiterhin ständig 20 kn bis 25 kn Wind aus Südost. Seit zwei Stunden lässt er langsam nach und bewegt sich bei 15 kn bis 20 kn. Weiterhin Südost bei immer noch hohen, ruppigen Wellen.

Neuen Wetterbericht gibt es nicht mehr, da der Satellitenempfänger dem Wasser zum Opfer fiel. War in einem Fach höher als die Bodenbretter untergebracht. Hat aber nicht gereicht. Falls wir Glück haben sollten, ist nur der Akku, der in einem separaten abnehmbaren Teil untergebracht ist, hinüber. Muss sich aber noch zeigen. Bei der aktuellen Vorhersagegenauigkeit ist ein Wetterbericht aber ohnehin nutzlos.

Um 13 Uhr geht der Wind endlich auf unter 15 kn. Das ist einen Versuch wert. Noch sind die Wellen unangenehm hoch, die Schiffsbewegungen kräftig, aber es kommt kaum Wasser aufs Deck. So geht es endlich weiter. Dass es mit nur drei Knoten ist, stört jetzt nicht mehr.

Die Sonne zeigt sich jetzt sogar und wärmt uns physisch und psychisch etwas auf. Am Horizont sind allerdings bereits wieder dunkle Wolken mit kräftigen Regenbändern.

Die bringen tatsächlich etwas Regen. Es geht aber weiter und es sieht nunmehr gut aus, dass wir nunmehr morgen Elfin Cove erreichen werden.

08. August:

Mit (von dicken Wolken verdecktem) Sonnenaufgang sind wir nur noch einige Meilen vom Ziel entfernt. Es ist grau und regnerisch. Bei der Einfahrt in den Cross Sound schafft es die Sonne uns ein paar Strahlen durch die Wolkendecke zu schicken.

Gegen 10 Uhr erreichen wir die Cove. Etwas eng hier, wir finden aber am Gästesteg noch einen freien Platz zwischen Fischerbooten.

Nach 7 Tagen und 500 zurückgelegten Seemeilen haben wir die 350 sm, die es eigentlich nur sind, überwunden. Endlich da. Was sind wir froh.

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